Ich gebs gerne zu, ich war seit ich mich erinnern kann, ein Poirot-Fan. Ich habe Agatha Christies Bücher über den „kleinen“ Detektiv verschlungen. Die Kurzgeschichten finden noch heute ihren Weg zurück auf meinen Nachttisch, zu köstlich und zu klug sind sie, als dass ich sie lange verschmähen könnte.
Wann ich zum ersten Mal auf David Suchet in seiner Lebensrolle als Hercule Poirot gestossen bin, vermag ich heute nicht mehr genau zu sagen. Es muss wohl in den frühen 90ern gewesen sein. Ich war höchstens 14 Jahre alt. Ich erinnere mich an den zauberhaft schönen Vorspann und mein Gefühl dabei: das muss ich sehen.
Seit 2006 veröffentlicht Polyband & Toppic Video die schön gestalteten „Collections“, die aber nicht mit den originalen Staffeln übereinstimmen. In Collection 11 schliesslich findet sich der meiner Meinung nach wichtigste Film von allen: „Mord im Orient-Express“ (2010) von Philip Martin,
Vergleicht man diesen Film mit dem Klassiker von 1979, hier spielen u.a. Albert Finney und Ingrid Bergman mit, die für ihre Darstellung der Missionarin einen Oscar gewann, wird einem der qualitative Unterschied bewusst.
David Suchet gelingt das Kunststück, das Entsetzen Hercule Poirots über die Tat der zwölf Mörder, als auch das Mitgefühl mit dem entführten und getöteten Kind und dessen Familie auszudrücken. Anders als in Sydney Lumets Film wird die Getriebenheit der Täter klar. Philip Martin, der Regisseur, kleidet seinen Film als das Drama, das es ist. Poirot wird Zeuge des Selbstmords eines Soldaten und erlebt die Steinigung einer Ehebrecherin mit, das sind Bilder aktueller denn je und trotzdem in die 30er Jahre verlegt.
Die Reise im Orient-Express wirkt anfangs luxuriös, doch die Enge der Räume, nebst all dem Prunk, erscheint glaubhaft. Als dann der Zug in einer Schneeverwehung stecken bleibt, saufen und feiern die Passagiere nicht weiter, sondern hüllen sich in Decken und frieren. Auch nach der Aufklärung wird nicht fröhlich weiter getafelt, als wenn nichts gewesen wäre.
Poirot geht als gebrochener Mann aus diesem Fall weg. Suchet spielt dessen Zerrissenheit überzeugend.
Das Making-Of und Suchets Doku über seine Reise im Orient-Express von London nach Prag machen Spass und sorgen für einen kurzweiligen Abend vor dem Fernseher. Highlights der Doku sind jene Szenen, als Suchet im Führerstand des Zuges fährt und lenken darf. Seine kindliche Freude ist derart ansteckend, dass ich breit grinsend vor dem Fernseher hocke. Man kriegt grosse Lust, ebenfalls zu verreisen und bereut es, nicht in der Gesellschaft dieses Mannes zu verweilen, der den Charakter des grossen, kleinen Detektivs so überzeugend gespielt hat.