Nein, keine Kochsendung, über die ich hier schreiben möchte. Es geht vielmehr um eine Art von Ursachenanalyse. Ich will einfach wissen, warum ich in zwei Fällen zum hoffnungslosen Serienjunkie geworden bin. Die erste Sucht, die habe ich – abgesehen von gelegentlichen Rückfällen an langweiligen Regentagen – hinter mir gelassen. Sie heisst ‚Friends‘ und ist und bleibt (möglicherweise) die erfolgreichste TV-Serienproduktion aller bisherigen Zeiten. Die zweite ist akut. Sie ist der Stoff, den ich mir gegenwärtig reinziehe; das süsse, zwar nicht in Dosen dafür in Episoden gelieferte, immer mit drei Kameras gemixte Gift, das gegenwärtig über die Bildschirme strahlt: ‚How I met your Mother‘, das wir der Einfachheit halber ab hier nur noch ‚HIMYM‘ nennen wollen. ‚LSD‘ hat man schliesslich auch kaum je ausgeschrieben.
Ich war und bin ein fanatischer Fan (nein, so geschrieben ist das kein Pleonasmus!) von ‚Friends‘. Bei ‚HIMYM‘ verhält sich das gar nicht anders, auch wenn ‚Friends‘ bereits TV-Geschichte ist und wir alle den Ausgang von der ‚HIMYM‘-Story noch gar nicht kennen. Trotzdem stellt sich nicht nur mir selber, sondern vor allem meinem Umfeld die nicht ganz unberechtigte Frage, warum man einen gestandenen Mann (ich bezeichne mich selber gerne so) über Jahrzehnte mit Produktionen wie den beiden an der Serienstange halten kann.
‚Friends‘ – alle 10 Staffeln und 236 Episoden habe ich gesehen. Mehrmals. Meine DVDs sind durchgescheuert, inzwischen. Obwohl ich amerikanische Produktionen immer in Originalsprache geniesse (zeitgenössisch-amerikanischer Humor ist schlecht übersetzbar, finde ich), habe ich auch eine Anzahl der Episoden in Finnisch, Mandarin, Urdu und Hindi gesehen und gehört. Keine dieser Sprachen verstehe ich – aber ich kenne sowieso den Text sämtlicher Handlungsteile auswendig, dann spielt das kaum eine Rolle. Wenn man schlaflos mit Jetlag in irgendeinem Hotelzimmer in Helsinki, Mumbai oder Hong Kong liegt, macht sowieso nur noch ‚Friends‘ glücklich und bringt zum schlafen. Aber eben, ‚Friends‘ hab ich hinter mir. Diese Kultserie wurde von 1994 bis 2004 abgedreht aber läuft noch immer, immer wieder, überall. Steht eben auch im Regal bei mir. Manchmal nasche ich.
‚HIMYM‘ ist jetzt gerade, während ich schreibe, zu sehen. Auch auf heimischen SRF-Sendern sogar ,das macht mich glücklich!, im Zweikanalton. Wenn man beim durchzappen auf ‚HIMYM‘ stösst, ist es wohl aber meist Pro7, an dem man hängenbleibt – denn die senden da kaum noch etwas anderes, seit Monaten. Ende des Diskurses.
Wir wissen nicht, wie das weiter gehen wird, mit der Geschichte bei ’HIMYM’. Episode für Episode kommen neue Rätsel. Schweissüberströmt im Delirium des Entzugs, noch bevor irgendwas davon am hiesigen Fernsehen zu konsumieren ist, hängt sich der hoffnungslose Junkie an die legal zweifelhaften Nadeln der Internet-Downloads. Und holt sich den Stoff. Klaut ihn. Dass er derweil die ersten sechs auf DVD erhältlichen Staffeln bereits im Regal stehen hat und auch diese immer und immer wieder ansieht, ist, na ja, logo.
OK, da sind ‚Friends‘, und ‚HIMYM‘. Hier bin ich. Süchtig. Warum? Was sind die Ingredienzen in dem Stoff, die mich nicht loskommen lassen davon? Was hält mich nächtelang vor der Kiste wach, zwingt mich zu übermässigem Konsum von Popcorn (von den Nüsschen bin ich glücklicherweise weggekommen) bis ich auf dem Sofa vor Erschöpfung einschlafe?
Es gibt ein Rezept dafür, natürlich! Womit wir doch beim Kochen wären.
Um mich hoffnungslos abhängig zu machen, nehme man (je nach Geschmack):
- ganz viel New York City, mit viel Manhattan, etwas Brooklyn, Trips hinüber nach Staten Island und Seitenhiebe nach Poughkipsie und Long Island
- eine Gruppe junge, lebensfreudige, normale, schöne Menschen, teilweise in WGs zusammenlebend
- eine Stammbeiz (Central Perk, McLaren’s)
- eine neu zur Gruppe gestossene, bildschöne, ach so beschützenswerte, herzensgutunschuldigzugereiste Wahnsinnsfrau (Rachel Green, Robin Scherbatsky), der ob aller Ambitionen immer viel falsch läuft im Leben
- einen überdimensionalen Macho/Weiberhelden mit den coolsten Sprüchen (Joey „How‘ yooo doooin‘?“ Tribbiani bzw. Barney „Legen-dary!“ Stinson)
- ein Pärchen, das sich in die Ehe verabschiedet – mit allen dazugehörigen Turbulenzen (Monica Geller und Chandler Bing bzw. Lily Aldrin und Marshall Eriksen)
- den Mann, der ziemlich unbeholfen die Frau seines Lebens sucht (Ross Geller bzw. Ted Mosby)
- eine Wundertüte voll von eingestreuselten Cameos, wie die zum schreien komischen Auftritte von Stars wie Sean Penn, Britney Spears, Jennifer Lopez, Alec Baldwin, Brad Pitt, Bruce Willis, George Clooney, Susan Sarandon, Winona Ryder, und noch so vielen anderen
- ganze Heerscharen von talentierten Drehbuch- und Dialogschreibern, Produzenten, Regisseuren, Kameraleuten und Tontechnikern
Dann geht’s. Das funktioniert, das kann man kochen. Dann gewinnt man nicht nur Emmys und andere Fernsehpreise in Serie. Dann hat man auch Publikum, dann wird die ganze Chose – ich bediene mich Barney Stinson’s Worten „LEGEN-DARY“ – und macht mich zum Junkie.
‚HIMYM‘ läuft noch. Wir sind mitten in der 7. Staffel, ab Januar 2012 geht’s weiter.
So, wer nun den Eindruck erhalten hat, ich hätte all dies im Sinne von Zora s Bildschirmbeobachterblog recherchiert und geschrieben, wird nun enttäuscht werden.
Mein Beweggrund für all diese Zeilen ist bloss der Wunsch nach dem Podium. Ich wage es hier und hoffe, sie liest mit:
„Robin Scherbatsky, will you marry me?“
In unregelmässigen Abständen schreiben befreundete Autoren über ihre Lieblingsfernsehserien.
Ray Kroebl lebt und arbeitet in Zürich
One Trackback/Pingback
[…] liebe Leserinnen und Leser: Guckt Euch das – und den ganzen Rest vom Blog dort – mal genüsslich […]
Post a Comment