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Der einzig wahre Blues

In den 90ern produzierte das ORF eine Sendung, die ihresgleichen sucht: Kaisermühlen Blues. Realistischer als die ewig langweilige Lindenstrasse, die bessere Musik sowieso (ich sag nur Extremschrammeln), sehr sarkastisch und gleichzeitig liebenswert.

Die Serie, die in einer „Gemeindebausiedlung“ spielt, handelt vom Leben der kleinen Leute. Die unbestrittene Hauptperson ist Gitti Schimek, die von der wunderbaren Marianne Mendt gespielt wird. Der „Fünfer“, der sich für eine Strassenbahn hält, und seine Schwester, die deutsche, etwas piefige Ehefrau des Bezirksrat und die Hausmeisterin sind Figuren, die einfach im Gedächtnis bleiben.
Die Charaktere sind eingängig, ebenso die Geschichten. So freut man sich immer wieder aufs Neue auf jene Begebenheiten, die das Leben auf Lager hat. Die Kameraführung ist für die damalige Zeit pragmatisch und gleichzeitig ästhetisch ausgerichtet. Es macht Spass, Wien für einmal mit anderen Augen zu sehen, die nicht mit dem ewigen Sissi-Schmus behaftet sind.

Die Crème de la Crème der österreichischen Kabarettisten- und Schauspielliga tritt in Kaisermühlen-Blues auf: Alfons Haider, Gunther Philipp, Peter Fröhlich und Lukas Resetarits sind nur einige der grossen Namen. Zwar fällt in jedem zweiten Satz „Neger“, „Tschuttschen“ und „Depperter“, aber Drehbuchautor Ernst Hinterberger trifft mit trockenen Dialogen und geschliffenen Sätzen den Nerv der Zeit. Dass „Kaisermühlen Blues“ heute aktueller denn je wirkt, ist zum grossen Teil sein Verdienst.

Dass 3Sat jeweils samstags zwischen 10.15 und 12.00 zwei Folgen der Serie bringt, ist ein Glücksfall für jeden Fan, der übersättigt von 24 und Konsorten ist. Einfachheit ist der neue Trend. Spannend ist es sowieso und für Freunde der Nackerten tritt in mindestens jeder zweiten Sendung eine barbusige (und barmuschige) Schönheit auf. Also, worauf warten? Amazon vertickt 65 Folgen auf 17 DVD’s in einem praktischen Album für 42 Euro…

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