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Der Fluch der wahren Fans

Zweimal im Jahr geniesse ich meinen Münsteraner Tatort wie ein Glas guten Rotweins. Nichts, aber auch gar nichts, nicht einmal der kettensägende Nachbar von gegenüber, kann mir diese 90 Minuten Unterhaltung vermiesen.

Und wenn die 90 Minuten vorüber sind, dann kommt der wirklich witzige Teil: die Fan-Rezensionen im Forum des Tatort-Fundus. Wenn Sie bis anhin gedacht haben, tvreal wär böse, kann ich Ihnen garantieren: das Forum ist noch viel phöser.

Da werden die Wohnungen der beiden Protagonisten kritisiert, Hobby-Pathologen übertrumpfen sich in ihren Vermutungen, was denn nun alles falsch gemacht wurde beim Dreh. „Gab es denn im alten Persien keine Steinschleudern, die die Einkerbung am Schädel der Mumie hätten erklären können?“ Die Geeks wettern über den sachgerechten Einsatz der Darstellerinnen und da werden Punkte vergeben.
Tolle Sache, werden Sie denken. Find ich auch. Doch beim Münsteraner Tatort scheiden sich die Geister. Da gibt’s ganz klar die Pro-Boerne-Fraktion, die grundsätzlich alles toll findet, was aus Karl-Friedrichs bartumrandeten Lippen herausplätschert. Die Sachlichen sind ebenfalls vertreten, sie sind erkennbar an ihrer absoluten Unbestechlichkeit und der Tatsache, dass sie alle 763 Tatorte auf der HD gespeichert und sogar die Giftschrank-Folgen auf Video gebunkert haben. Und dann sind da die Boerne-Hasser: Die finden Jan Josef Liefers unerträglich, mäkeln über seine Frisur, finden Manschettenknöpfe scheisse und tun dies auch halbjährlich kund.

Nun werden Sie entgegnen: Was interessiert mich das?
Sie haben Recht. Es interessiert niemanden, was in einem Geek-Forum abgeht. Aber spannend ist es trotzdem. Eine Fernsehserie, die seit mittlerweile 40 Jahren läuft und eine so unverrückbare Fangemeinde hinter sich weiss, muss man lange suchen. Finden tut man sie sonst nur im Seifenopernbereich und der ist bekanntlicherweise nicht wirklich anspruchsvoll. Ganz anders verhält es sich mit Tatort. Da werden Woche für Woche sozialkritische Themen für den deutschsprachigen Zuschauer bearbeitet. Ganz gleich ob Kindesmissbrauch in Thailand, die Aleviten in Deutschland oder Drogenhandel in Bern, alles findet seinen Platz

So war auch der Tatort Der Fluch der Mumie gestern abend nicht sonderlich politisch, sondern wie gewohnt (und gewünscht) locker flockig. Thiel und Boerne wohnen noch immer unter dem selben Dach und leiden unter Wassermangel. Vater Thiel,für einmal nicht bekifft, findet auf einem Estrich eine Mumie, die nachher auf Boernes Tisch landet. Alberichs Knasti-Brieffreund wird entlassen und steht plötzlich in seiner ganzen körperlichen Herrlichkeit von 1,84m bei ihr auf der Matte und – ein Gefängniswärter (wie heissen die eigentlich politisch korrekt?) wird ermordet. So, und nun können Sie knobeln. Natürlich hängt alles zusammen und am Ende durchschlägt der Fernsehgott nach vielen lustigen Sprüchen des Ermittlerduos den gordischen Knoten des Westfalen-Krimis.

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