Skip to content

Was uns schon der Grossvater zu erzählen wusste…

Vor einem Jahr lief auf SF 1 eine Sendung, die die Gemüter erhitzte. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele erboste Siebzigjährige erlebt zu haben, die derart klar postulierten: so nöd!!

Sie können sich nicht mehr erinnern? Echt nicht?

Dann sind Sie entweder kein Schweizer Staatsbürger, hatten zu dem Zeitpunkt keinen Fernseher oder Sie haben den grossen Krieg nicht miterlebt.

Ich spreche von „Alpenfestung – Leben im Reduit“, der Skandalsendung des letzten Jahres unseres hochwohlgeborenen Staatsfernsehens. Ich meine, ich kenne Leute, mich eingeschlossen, die jeden Abend deswegen den Fernseher aus dem Estrich geholt und abgestaubt haben, nur um jene 18 Minuten Zeitreise mitzuerleben. Vielsagend, nicht?

Aber was war der Grund für den Erfolg dieser „Doku-Soap“?

Zuerst einmal vermute ich, dass die engagierten Diskussionen von Aktivdienstlern, Militärforschern und Politikern aller Lager schuld dran waren, dass sich Herr und Frau Schweizer während der Sommerhitze dazu verlocken liessen, vor der Kiste zu campieren.

Zweitens trug die geschickte „Vermarktung“ dazu bei. Mithilfe Blogs, Videoportal und zahlreicher Werbespots zur besten Sendezeit war es gar nicht möglich, dem Angebot zu entkommen. Und wer sich nicht dafür interessierte, was zeitgenössische Mitbürger in ihren Sommerferien anstellten, hatte noch immer die Möglichkeit, spätabends Dokumentarfilme und den „Club“ zum Thema zu sehen.

Die Sendung war jeweils in mehrere Teile gegliedert. Der charmante Gastgeber Oliver Bono führte durchs Programm und die Interviews mit den Gästen, die allesamt entweder Betroffene oder sogenannte Fachleute waren. Der wesentlich interessantere zweite Teil, nämlich die Doku,, handelte entweder vom harten Alltag der Landfrauen oder vom harten Alltag der Männer in der Alpenfestung. Sie können sich vorstellen, dass es natürlich nur schwer möglich ist, das Gefühl und die langsame Verzweiflung der Dienstmänner in den 40er Jahren zu zeigen. Dies war auch nicht die Absicht der Macher. Jedoch bestätigten nach Ende der Soap die Film-Soldaten, dass sie sich sehr wohl in die Situation ihrer Väter und Grossväter einfühlen konnten. Die stumpfe Umgebung, das Eingeschlossensein und die sinnlosen, militärischen Übungen machten es auch dem interessierten Couch potato möglich, sich von jener Zeit ein unromantisches Bild zu machen.

Die Landfrauen und ihre Kinder hatten im Gegensatz zu den Männern täglich die Möglichkeit die Natur mit all ihren Vor- und Nachteilen zu erleben. Die harte Feldarbeit, die Verzweiflung und die Hilflosigkeit im Umgang mit dem Muni zeigten auf, dass die Frauen in der Kriegszeit wirklich auf sich alleine gestellt waren. Dass die eine Bäuerin in einer Folge verfaultes Fleisch entsorgte, löste sogar in der Zeitung ein Echo aus.

Einzig die stets korrekte und irgendwie dennoch väterliche Art des Kommmandanten Mettler tröstete darüber hinweg, dass da irgendwie ein Pfadilager in unbequemen Kleidern stattfand.

Überhaupt bleibt die Rolle der wichtigsten, da meinungsbildenden Zeitung (nein, für dieses Mal ist es leider weder Weltwoche noch NZZ) zu erwähnen. Sommerloch ahoi muss es in der Redaktion wohl oder übel geheissen haben. Wer keinen Fernseh besass, hatte so keine Möglichkeit, den Eskapaden der Herren Fluri und Konsorten zu entkommen. Jeden Tag eine Schlagzeile. So was gibt’s nur bei Katastrophen.

Also, meine Herren. Wenn Ihnen Ihr inneres Flämmchen erlischt, werfen Sie gefälligst ein Brikett nach.

Post a Comment

Your email is never published nor shared. Required fields are marked *
*
*